Als am nächsten Tag die Barge in Sicht kam, schöpften wir neue Hoffnung unsere Reise bald fortsetzen zu können. Trotz bester Wetterbedingungen wollte das Längsseitskommen der Barge nicht so recht funktionieren und es kam zu einem ungewünschten Kontakt zwischen dem Schanzkleid der Bunkerbarge und der Aufbauten des neuen Katamarans. Dem Kapitän der Bunkerbarge war deutlich anzusehen, dass ihm die Situation unangenehm war, als er zum Unterschreiben der Schadensberichte zu uns an Bord kam. Auch ihm war das Team "Con Air" in Ihren orangenen Overalls keineswegs entgangen. Letzten Endes hatte die Barge, aber zum Glück die passende Verbindung zur Kraftstoffversorgung, sodass wir mit 52,5m³ neuen Kraftstoff und den ersten zwei Beulen im Schiff die Reise in Richtung Port Galle in Sri Lanka fortsetzen konnten.
Der nächste Zwischenhalt in Sri Lanka diente zur Aufnahme des Sicherheitsteams, welches uns durch die High Risk Area, am Horn von Afrika, begleiten sollte. Neben den beiden Sicherheitskräften kamen Waffen und über 500 Schuss Munition an Bord. Von Sri Lanka aus ging es weiter zu den Malediven, wo zu meiner Verwunderung ein reger Schiffsverkehr herrschte. Die Reedegebiete waren gut gefüllt, sodass wir unseren Anker direkt in der Nähe eines Ferienresorts warfen. Das brachte uns nicht nur einen schönen Ausblick, sondern auch freien WLAN- Empfang, wodurch wir mal die Chance hatten mit den Daheimgebliebenen Kontakt aufzunehmen. Auf den Malediven wurden die Kraftstoff- und Frischwassertanks gefüllt und am 16.03.2018 ging es um Mitternacht (UTC+5) mit insgesamt 103 m³ Kraftstoff und 10,5 m³ Frischwasser weiter in Richtung Dschibuti am Horn von Afrika. Eine Strecke von 2000 Seemeilen lag vor uns, die uns unter anderem durch eines der gefährlichsten Seegebiete der Welt führte, den Golf von Aden. Nach dem Verlassen der Gewässer rund um die Malediven fing man mit den Vorbereitungen für die Passage durch die High Risk Area an. Feuerlöschschläuche wurden zur Piratenabwehr an der Reling befestigt. Ein Schutzraum wurde eingerichtet und mit Proviant und Trinkwasser ausgerüstet. Dieser Panikraum der an Bord auch als "Zitadelle" bezeichnet wird, dient als Versteck sobald man einen Piratenangriff nicht mehr abwenden kann. Doch eine geordnete Flucht muss gut geplant werden und so sprachen wir alle Szenarien durch, ein wenig Anspannung war schon vorhanden. Klar hat ein Hochgeschwindigkeitskatamaran den Vorteil, dass er wesentlich schneller ist als andere Schiffe, jedoch war auch jedem an Bord bewusst, dass ein Kleinkalibergewehr genügen würde um Löcher in die Außenhaut aus Aluminium zuschießen.
Kurz vor Erreichen der High Risk Area stand noch eine Sicherheitsübung auf dem Plan. Szenario : MANN ÜBER BORD. Um die Übung so realistisch wie nur möglich zu gestalten, wurde das Rescueboat zu Wasser gelassen und jeder durfte mal die Rolle des Überbordgegangenen spielen. Die Wassertemperatur des Indischen Ozeans lag bei 27°C, da nahm man das Sicherheitsmanöver gerne hin. Ein weiterer Pluspunkt war, dass eine solche Aktion die Gemeinschaft stärkt, denn in den kommenden Stunden mussten wir als Crew funktionieren. Gegen 16:00 Uhr (UTC+4) war das Rescueboat zurück an Bord. Nach dem Abendessen wurden nun auch aller Lichter auf dem Hauptdeck gelöscht um möglichst unbemerkt zu bleiben.
Die Brücke wurde doppelt besetzt und die beiden bewaffneten Sicherheitskräfte wechselten sich rund um die Uhr mit der Wache ab. Das Wetter war uns wohlgesonnen, nordöstliche Winde der Stärke 3 und Wellen mit einer Höhe von 0,5 m. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit nachdem wir die High Risk Area erreicht hatten, passierten wir in geringem Abstand ein unbeleuchtetes Fahrzeug, vielleicht ein Fischer oder doch ein Boot somalischer Piraten, wir wollten nicht umdrehen um es herauszufinden. Wir setzen unsere Reise weiter fort und erreichten Dschibuti am Morgen des 20.03.2018, das MARSEC Level wurde auf Stufe 2 "Erhöhtes Risiko" angehoben. Die Gangway wurde durchgehend bewacht damit sich niemand an Bord schleichen konnte. Es wurden 67,7m³ Kraftstoff gebunkert, diesmal ohne Bunkerbarge sondern von Land aus per LKW. Der somalische Pumpmann des Tanklastwagens verbrachte den Bunkervorgang damit ein ganzen Strauch Kath zu kauen, eine auch unter Piraten weit verbreitete Droge. Wir waren froh als wir um 17:30 Uhr Ortszeit (UTC+3) den Hafen wieder verlassen konnten, da wir längsseits an einem Livestock Terminal lagen, welches einen beißenden Geruch mit sich brachte. Durch das Rote Meer ging es weiter in Richtung Suez Kanal. Am Abend des 22.03.2018 verließen wir die High Risk Zone und trafen uns auf See mit der "Captain James Cook" dem Stationsschiff der Sicherheitskräfte, die mit Hilfe eines Schlauchboots ausgebootet wurden.